Wenn es etwas gibt, was Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet, dann ist es die Tatsache, dass wir lernen können und dies zeitlebens tun. Wir lernen Trinken, Laufen, Sprechen, Essen, Singen, Lesen indem wir ausprobieren, zusehen, zuhören und andere nachmachen. Vielen Gedanken und Methoden des Lernens liegt die Vorstellung zugrunde, dass es sich um einen passiven Vorgang handelt: ein zu lernender Inhalt gelangt durch Lernen in den Kopf. Das ist aber falsch gedacht: Je bunter bewegt, lustiger und spielähnlicher, je interaktiver der zu lernende Inhalt angeboten wird desto besser wird gelernt.
Auf Basis neuronaler Erkenntnisse lassen sich nach Schirp (2012) Konsequenzen für ein gehirngerechtes Lernen ableiten:
- Je häufiger ähnliche Muster angeboten und als Signal vom Gehirn aufgenommen werden, desto größer und intensiver wird die Präsenz dieses Musters im Gedächtnis bleiben. Das heißt, dass häufigere und kürzere Übungsformen zu favorisieren sind.
- Je intensiver diese Inputs in unterschiedlichen Variationen angeboten werden, umso größer werden auch die im Gehirn entstehenden musterbezogenen Speicherkapazitäten.
- Regeln und Muster sind nicht als einzelne Regeln und Muster zu lernen. Lernen entsteht dann, wenn diese aus wiederkehrenden Beispielen oder Situationen extrahiert und verdichtet werden.
- Wenn ein Lerngegenstand mehrere unterschiedliche Muster aufweist, die sich aber aufeinander beziehen (z.B. alltagsnah, fachbezogen, emotional) dann führt dies zu einer Ausweitung der neuronalen Repräsentanz. Der Lerngegenstand wird dadurch in seinen unterschiedlichen Aspekten wahrgenommen und in entsprechende Gedächtnisstrukturen überführt. Er weist also an verschiedenen Stellen des Gehirns neuronale Repräsentationen auf und ist dadurch leichter – im Sinne des Erinnerns – für uns zugänglich. Für den Übungsprozess bedeutet dies, dass es hilfreich ist, Lerngegenstände in unterschiedliche Kontexte zu stellen und diese beim Anwenden immer wieder bewusst zu machen.
- Neuronale Muster bauen häufig aufeinander auf und bilden Abfolgen von einfachen zu komplexer werdenden Mustern. Für den Lernprozess bedeutet dies, dass das Hören, Verstehen und Handeln jeweils eigenständige Muster sind, die für sich geübt werden müssen. Damit der Lerninhalt eine Chance hat, im Gedächtnis verankert zu werden, bedarf es zahlreiche Übungs- und Anwendungsphasen.
Literaturnachweis:
- Schirp, Heinz. (2012). Neurowissenschaften und Lernen. Was können neurobiologische Forschungsergebnisse zur Weiterentwicklung von Lehr- und Lernprozessen beitragen? In Caspary, Ralf (Hrsg.), Lernen und Gehirn (S.99). Hamburg: Nikol-Verlag.
- Spitzer, Manfred (2014). Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.